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Mittwoch, 26. Dezember 2012

Das Wort zu Weihnachten: Für mehr Toleranz

Anfang des Jahres habe ich ja bereits zur Zwangsläufigkeit von Reduktionismen gedacht. Nach einigen fruchtbaren Diskussionen (mit meiner Frau, auf Tagungen, mit Freunden) diesen Monat will ich den Gedanken hier nochmals neu aufgreifen und weitertreiben. Ausgangspunkt ist dabei die offensichtliche Analogie (oder tatsächlich Isomorphie?) von Radikalisierung - ich hoffe, dass ich dabei Gedanken weite und nicht unnötig reduziere. Deswegen will ich den folgendenTeil auch nicht in ein Vergleichsschema pressen, sondern als Fließtext behandeln:

Raum. Da bin ich von Berufs wegen natürlich besonders hellhörig für räumliche Reduktionismen. Unser Geist (materialistisch: Hirn) legt inhaltlich homogen und klar begrenzte Container auf die Welt, die wir mit allerlei Bedeutungszuweisungen aufladen können. Gegen diese kognitive Strategie ist kein Kraut gewachsen - dies ist unser primärer Zugriff auf die Welt. Wir können uns aber darüber im Klaren sein und dabei möglichst wenig undifferenzierte Aussagen machen. Radikalisierung droht immer dann, wenn ein Container mit seinem dazu gedachten Nutzungsanspruch normativ gesetzt wird und andere Nutzungen zumindest implizit als nicht angemessen deklariert werden. Auf unterschiedlichen Maßstabsebenen haben wir dann Nationalismus, Regionalpatriotismus oder urbane Segregation von Bevölkerungsgruppen mit allen Folgen für Machtausübung, Gewaltandrohung etc.. Eine aufgeklärte Verhaltensweise wäre wohl nicht eine möglichst häufige, provokante Grenzüberschreitung (Besuch bei den Assos? Das würde negative Images nur aufschaukeln), sondern eine Entgrenzung des Denkens: eine differenzierte Bewertung jeder Ortssituation ohne vorgefertigte Bewertungsmuster.


Geschlecht. Hier hat sich unsere Wahrnehmung im Laufe der Evolution naturgemäß (es soll ja Nachwuchs geben) auf die Leitdichotomie zwischen Mann und Frau eingeschossen. Auch wenn biologisches Geschlecht nicht eindeutig sein muss, sind es vor allem die Gender-Rollen, die sozial konstruiert über diese Leitdichotomie gelegt werden, die Ärger machen. Im besten Fall ist es wieder ein einfacher Zugriff auf die Welt, der Erwartungshaltungen auszuhandeln hilft, im schlechtesten Fall droht wieder Radikalisierung in Form von Sexismus, die bestimmtes Verhalten normativ belegt und anderes ausschließt. Leider finden sich solche schwarzen Schafe all zu oft unter Männern, die scheinbar eine reichhaltigere, komplexere Welt nicht ertragen. Als erklärter Feminist könnte ich kotzen, wenn Männer ihren Frauen unter Androhung von Sanktionen eine berufliche Laufbahn versagen. Noch irrer ist, dass es im 21. Jahrhundert tatsächlich noch Frauen gibt, die sich davon beeindrucken lassen. Eine aufgeklärte Verhaltensweise wäre demzufolge natürlich eben nicht eine wahlfreie (Über-)Sexualisierung des Alltags: aber versucht es doch mal mit aufrichtiger Anerkennung des Menschen im Anderen...

Glaube. Jetzt wird es kompliziert - hierzu muss ich eine Setzung machen: unter Glaube verstehe ich allgemein die positive Kraft, die uns Lebensmut gibt und und immer wieder neu auf's Leben hin ausrichtet, wenn uns der Mut fehlt, woher auch immer wir diese Kraft beziehen - seien es Esotherik, Parties, Reisen, andere Menschen oder der Glaube an ein höheres Wesen. Bildlich ausgedrückt ist es die Kraft, die uns dazu bringt, auf einem blauen Sandkorn, das auf ständigem Kollisionskurs durch's Weltall eiert, in aller Seelenruhe ein Haus zu bauen, eine Familie zu gründen und abends auf der Terrasse zu sitzen und den Sonnenuntergang zu bewundern. Die Leitdichotomie zwischen Leben und Tod selbst ist dagegen grundsätzlich und alternativlos. Die Radikalisierung in Form von Fundamentalismus ist dann, wenn die eigene Quelle dieser Kraft über alle anderen erhoben wird und alle anderen im besten Fall verirrte Schafe, im schlechtesten Fall Ungläubige sind, die es zu töten gilt. Eine aufgeklärte Verhaltensweise ist hier eben nicht der religiöse Eklektizismus (heute Buddha, morgen vegan, übermorgen Animismus), sondern Toleranz und Wertschätzung für die positiven Werte, die andere Menschen antreiben - und vielleicht sogar ein bisschen Freude daran.

Politik. Es ist nach den vorgenannten Beispielen, denke ich, folgerichtig, Politik als das Feld der Verhandlungen über die Ausrichtung gemeinschaftlichen Handelns auszuweisen. Radikalisierung droht hier von allen Seiten: das können Raum, Glaube oder Geschlecht und noch etliche weitere Reduktionsmen sein. Radikalisierung heißt, dass sich Menschen, die dem Schema nicht entsprechen, nicht am gemeinschaftlichen Handeln beteiligen dürfen, aus der Handlungsgemeinschaft ausgestoßen werden oder man ihnen im schlimmsten Fall ans Leben will. Eine Emazipation ist auch hier nicht durch Vermischung von Leitdichotomien (National-Sozialismus lässt grüßen) zu erreichen, sondern nur durch verantwortliches, auf das Wohl aller Menschen hin ausgerichtetes Handeln (ohne jetzt ohne weitere Prüfung einem reinen Utilitarismus das Wort reden zu wollen).

Halten wir fest: die grundlegende Gefahr aller kognitiven Strategien zur Komplexitätsreduktion ist die Institutionalisierung von normativ gedachten Diskursen in Organisationen, die eine wie auch immer geartete Ordnung überwachen sollen: Parteien und Staatsapparate, Kirchen und Glaubensordnungen, Stammtische und Strickabende. Das soll wiederum nicht heißen, dass die Staatsform der Wahl die Anarchie sein sollte, sondern nur, dass solche Institutionen die Möglichkeit und Macht zu Kontrolle ausüben können und somit die Gefahr besteht, dass diese von einzelnen Akteueren in leitenden Positionen unhinterfragt und verantwortungslos genutzt wird.

Dagegen gilt es vorzugehen und hellhörig für eine allzu einfache Deutung der Welt zu bleiben. Dazu gehört aber auch, Komplexität aushalten zu können und nicht vorschnell zu urteilen. Nutzen wir unseren Glauben, unsere positive Kraft zu leben, um das Experiment der Menschheitsgeschichte - in unserem kulturellen Kontext das Experiment Gottes - weiter voranzutreiben und uns selbst als einmaligen Versuch, als Essay Gottes, zu begreifen. Nutzen wir die beiden Triebfedern sozialer Gemeinschaft: den positiven Egoismus, im Rahmen dessen jeder in seinen Möglichkeiten seinen Gestaltungswillen zeigen kann, um institutionalisierte Hegemonien aufzubrechen und zumindest kurzzeitig anders zu denken und den positiver Altruismus, die Fähigkeit, dem anderen wirklich zuzuhören und an seinen Ideen zu wachsen - denn gerade die widersprüchlichsten und kontroversesten Ideen sind es häufig, die uns weiter bringen.

Und fangen wir damit am besten noch im alten Jahr an.

Sonntag, 23. Dezember 2012

1400 km in sechs Tagen

Rechtzeitig vor Weihnachten ist es langsam Zeit, im Blog noch ein paar Türchen zu öffnen und sich wieder mit den Ideen der vergangenen Wochen zu Wort zu melden. Die letzten Tage waren dann doch eher gut gefüllt, nachdem ich letztes Wochenende in Dortmund auf Burg Husen noch die Nachwuchstagung Raumaneignung (die haben wir uns für das Folgejahr gleich nach Bamberg aufschwatzen lassen) besucht habe und letzten Mittwoch für ein paar Stunden nach Augsburg gefahren bin, um dort eines unserer Geogames zu begleiten.

Mit Kollegen an Bord und mangels geeigneter Anbindung an den nächsten Bahnhof der jeweiligen Locations bedeutete das bei Tauwetter, Schneefall, Regen und Dunkelheit 1400km, also ca. 10% meiner jährlichen Gesamtfahrleistung auf deutschen Autobahnen:


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