Nachdem wir dieses Jahr schon bestimmt zwei Duzend Tomaten, vier fünf Paprika und viele kleine Erdbeeren geerntet haben, möchte ich doch zumindest noch die Ausbeute von unserem kleinen Apfelbaum nachreichen, der dieses Jahr, im Gegensatz zu seinen Artgenossen, überreich getragen hat. Die 60(!) Äpfel waren dann aber doch vielleicht etwas zu viel - sehr groß sind sie nicht geworden; dafür sehr fruchtig süß!
Tweet!
Sonntag, 27. Oktober 2013
Mittwoch, 23. Oktober 2013
Gent - ja bin ich hier in Belgien?
Fotoimpressionen aus Gent, wo ich mich gerade auf Konferenz tummle. Ich teile gerne meine stark reduzierten Eindrücke:
- Sauber und sicher (Populisten können hier nichts fordern - ach so, die gibt es schon: Vlaams Belang)
- Grün und am Fluss
- Viele Platz für Radfahrer und Fußgänger
- Viele alte Häuser
- French fries...
Ach ja, und wie in jeder mittelalterlichen mitteleuropäischen Stadt: Cafés und Boutiquen dicht an dicht, aber kaum Supermärkte... (für durstige Reisende, die einfach eine Flasche Wasser kaufen wollen)
- Sauber und sicher (Populisten können hier nichts fordern - ach so, die gibt es schon: Vlaams Belang)
- Grün und am Fluss
- Viele Platz für Radfahrer und Fußgänger
- Viele alte Häuser
- French fries...
Ach ja, und wie in jeder mittelalterlichen mitteleuropäischen Stadt: Cafés und Boutiquen dicht an dicht, aber kaum Supermärkte... (für durstige Reisende, die einfach eine Flasche Wasser kaufen wollen)
Ein Plädoyer für unordentliche Orte
Es gibt seltsame Orte. Eigentlich zeichnen sie sich dadurch
aus, dass es Orte sein könnten, aber doch keine sind. Einen Bahnsteig zum
Beispiel. Es gibt Sitzplätze, ein Dach über dem Kopf, Getränkeautomaten.
Trotzdem lädt er nicht wirklich zum Zusammensitzen, zum Nachdenken oder zum
Ausruhen ein. Zu laut rufen die ankommenden Züge mit kreischenden Bremsen, die
abfahrenden mit heulenden Motoren, die Stehenden mitunter mit benebelndem
Tuckern den eigentlichen Zweck in Erinnerung. Die gesamte Anordnung der
räumlichen Gegebenheiten dient genau einem Zweck: Ein- und Aussteigen. Alles
andere ist nur temporär, Wartezeit, die quälende Totalsperrung einer hektischen Welt. Es
ist eine Anordnung, die sich einer abweichenden Aneignung gründlich widersetzt.
Wer es dennoch versucht, erlebt und lernt viel, kommt aber nie an. Im Puls
einer halben Stunde (so lange dauert es meist, bis auf demselben Gleis der
nächste Zug einfährt) kommt es zu einem kompletten Austausch der umgebenden
Menschen, die sich in diesen Ort mit einschreiben. Bestenfalls ist die
gemeinsame Grundstimmung Rücksicht oder Ignoranz. Schlimmstenfalls das Setzen von
Tatsachen (Handy-Gespräche, laute Musik, Zigaretten).
Tollkühn muten Transportinseln an, die man mitunter vom
Fenster aus sehen kann, ist man doch eingestiegen. Sie erzählen eigentlich mehr
über Mais- oder Zuckerrübenanbau, den Bewuchs von Bahndämmen oder geschotterte,
provisorische Parkplätze, die sich verloren an sie drängen. Es gibt genau einen
Bahnsteig, der zu ebener Erde zu erreichen ist und in Abwesenheit von Zügen
oder Fahrgästen wie ein Fremdkörper wirkt: kein Fußweg führt vom Parkplatz weg, kein Zug verspricht Linderung. Es bliebe
nur der vorsichtige Gang entlang der Landstraße, dorthin, wo die nächsten
Dörfer ihre ungefähre Lage durch Kirchtürme verraten, ein Weg, der gleichfalls
wie ein Verstoß anmutet, da die gefährlich nah vorbeifahrenden Autos entweder
ihre Geschwindigkeit nicht verringern oder bewusst weit ausholend den Gefährder
umfahren.
Es gibt Orte, die könnten irgendwo liegen und rufen doch
dieselbe Reaktion hervor: Glatt spiegelnde Wasserflächen an sandigen Säumen
oder nahe in üppigen Grün überhängenden Pflanzen, die ihre Finger ins kühle Nass
strecken, als wollten sie spielen, Bootsstege mit schaukelnden Wellen, ein
sanfter Wind und das beruhigende Rauschen der See oder eines nahen Baches.
Würde man dieselben Menschen vom Bahnsteig fassen und in Sekundenbruchteilen in
ein solches Szenario versetzen, würde es nicht lange dauern, bis die Musik
abgestellt, die Bücher zugeklappt, die Notebooks verstaut wären, bis das erste
Lächeln über die Gesichter huschen würde, bis Jacken beseite gelegt oder zu
Decken improvisiert würden, bis ganz automatisch erste Wortfetzen mit
zustimmendem Nicken quittiert würden. Zugegeben, die Handys wären noch da,
jetzt allerdings zum Festhalten der Stimmung für die Daheimgebliebenen im Bild.
Die wesentliche Frage lautet also: Was ist es, das aus einem
Zusammenkommen von unterschiedlichen Komponenten einer räumlichen Anordnung so
deutlich unterschiedliche Daseinsmodi suggerieren? Was ist unveränderlich und
was haben wir nur vergessen, anders zu betrachten?
Die Anfälligkeit von Orten gegenüber den Gefühlen der
Menschen, die ihnen mit Widerwillen, mit Unbehagen oder mit Scheu begegnen, die
zumindest der dominanten Deutung nicht entsprechen, kann dem aufmerksamen
Betrachter überall begegnen. Grünflächen, wenn sie nicht vom besten Freund des Senioren,
sondern von unangenehm laut lachenden Jugendlichen belagert werden, die sich
dort einfach hinsetzen. Da muss man schon mal zur Ordnung rufen! Auch eine Bar
oder auch ein Club sind zunächst eine prima Sache, wenn man neue Menschen
kennenlernen will. Für jeden Musikgeschmack gibt es schließlich Alternativen,
an alle ist gedacht, Raucher wie Nichtraucher, tiefsinnige Gespräche und
direkte Avancen, Tänzer wie Tanzverweigerer, Cocktail- oder Korntrinker. Und
doch sind es Kleinigkeiten, falsche Kleidung am falschen Ort, das falsche
Getränk, das falsche Wort, die einen Besucher maximal von diesem Ort
entfremden, zu einem Kork auf der Oberfläche werden lassen, mitschwimmend und
doch abgestoßen, umgeben von Menschen und doch fremd. Es sind so Kleinigkeiten
wie die falsche Tageszeit. Schon mal abends ein frisches Hörnchen gefunden?
Oder vormittags auf dem Oktoberfest gewesen?
An sich ist es erstaunlich, wie alternativlos Menschen mit
völlig verschiedenen Hintergründen auf diese Welle einschwingen können, die ein
Ort ausstrahlt, wie leicht es ihnen z.B. fällt, sich im Schutz des konzertierten
über die Stränge Schlagens einer Party aufeinander einzulassen, auf Menschen,
die am Bahnsteig oder mitten in der Hektik des Vormittags einander
keines Blickes würdigen würden. „Es tut gut, mal richtig Party zu machen! Einfach
loszulassen!“ erzählen sie. Man ist versucht zu entgegnen: „An was hast Du denn
vorher so krampfhaft festgehalten?“ Ist es nicht erst die unhinterfragte
Struktur des Alltags, die in Wahrheit Freiheit raubt?
Es gibt eine Menge geordneter Unorte, z.B. Schulen, die den
Geist einschränken, anstelle ihn zu bilden. Klassenzimmer als Schubladen, deren
Inhalt wie ein Zettel zur Beschriftung alle 45 Minuten ausgetauscht wird,
Büros, in denen für Aufgaben exakte Zeiten bemessen werden. Spielplätze, hat
einmal jemand gesagt, sind tolle Erfindungen; wenn man den Sand, die Geräte und
die lachenden Kinder wegdenkt, die Gleichförmigkeit ihrer Gestaltung sieht und
den Zaun, der schützen soll, sind sie nichts weiter als Kinder-Ghettos.
Im Sommer, wenn die klimatischen Bedingungen stimmen, wenn
die Abende lang und mild sind, laufen sie
zeitgleich, als wären sie programmiert, mit Tüten voll Grillgut, Kohle, Kästen voll Gebräu und grinsenden
Mienen in Gärten, wo immer ein Stück Grün Freifläche bietet, umgeben von
ihresgleichen, übertreffen sich in erlernten Kulturtechiken und versichern sich
der Besonderheit der Situation, wenn sie bierselig über alles und nichts reden.
Bald ziehen Rauchschaden um alle Häuser, fläckern Feuer, glimmen Kohlen,
klingt Musik, als griffen Automatismen, als wäre es unnötig zu denken und
zu fühlen, als wären Veränderungen mühselig und alles Einfache erstrebenswert.
Ist das nicht gelinde gesagt, phantasielos?
Es gilt zu erwägen: ein Ort ist keine Anordnung von Dingen,
er ist ein Gefüge von Zutaten, die von vielen Menschen in die richtige Mischung
gebracht, geknetet und gebacken werde müssen, bevor sie reifen und Sichtbarkeit
erreichen. Stimmt das Mischungsverhältnis nicht, oder trifft es schlicht nicht den Geschmack,
ist er für den einzelnen Besucher verdorben. Er wird ihn vermeiden, gleich wie viele er
anzieht, er wird es vorziehen, andere Ort aufzusuchen, zu mischen, zu wenden
und zu verfeinern, bis für wenige Momente durch die Anwesenheit und Mithilfe anderer ein besonderes Rezept gelungen ist. Kleinkunst am Straßenrand in Berlin kann nur so funktionieren.
Insofern scheint es zwei Wege zu geben, kreativ zu bleiben
und die Ordnung der Orte nicht allzu ernst zu nehmen, ihnen auch mal die Frisur
zu zerzausen und die Strenge zu nehmen: Es ist mitunter wichtig, den Ablauf und
die räumliche Struktur eines Events zu kennen, bevor man dorthin geht, weil man nur so
die Gedanken frei hat für neue Kontakte, unerwartete Gespräche, einmalige Erlebnisse und neue
Inspirationen. An zu viel Veränderung auf einmal kann nur der geübte Kosmopolit
nahtlos anschließen. So tut es gut, Anordnungen vorzufinden, die bekannt sind: Eben
weil, die Kohle glüht wie immer, das Bier und das Steak schmecken wie immer und
der Ort in den Hintergrund treten kann für den Blick auf die Menschen. Und
doch ist es wichtig, den kleinsten gemeinsamen Nenner auch als solchen zu
begreifen und nicht als unveränderlich zu denken. Ver-rückte Orte erforschen
sich am besten in vertrauter Runde: Denn liebende Menschen kann man überall mit
hinnehmen.
Abonnieren
Posts (Atom)