Die Reise mit Iberia über Madrid nach La Palma und zurück war bis auf gewitterbedingte, heftige Turbulenzen im Landeanflug auf München unproblematisch und vergleichsweise komfortabel - die älteren Airbus-Modelle vom Typ 320 bieten nicht wirklich Beinfreiheit, es ist aber auszuhalten. Nervtötend waren allenfalls die jeweils fünf Stunden Wartezeit auf den Anschlussflug in Madrid. Die einzigen Ansagen auf diesem Flughafen, der nicht gerade klein ist, teilen darüber hinaus auf Spanisch und Englisch lediglich mit, dass es keine weiteren Ansagen gibt und man sich auf den Informationstafeln selbst informieren soll. Genaue Gates für den Flug werden ca. eine Stunde vor dem Abflug, also eine halbe Stunde vor dem Boarding, zum ersten Mal exakt angezeigt - für die am weitesten entfernt gelegenen Gates braucht man ca. 24 Minuten, um dorthin zu kommen. Bösartig: es scheint, als suche sich jedes landende Flugzeug einfach einen freien Parkplatz und jede Crew sucht sich eins aus, wenn's los geht... In Analogie "Der ICE aus Dortmund kommt heute mal auf Gleis 5, der Lokführer war da schon länger nicht mehr..." Weniger bösartig: erstaunlich, dass ein organisatorisches System, das nicht im Voraus geplant scheint, reibungslos funktioniert. Vielleicht wird man da auch nur als Deutscher nervös...
Eine erste kulturelle Hürde war die freundliche Dame am Flughafen, die uns den Weg zum Treffpunkt mit unserem Mietwagen-Verleiher beschrieb. Es hat ein bisschen gedauert, bis wir verstanden, dass sich SÄMTLICHE Richtungsangaben immer ABSOLUT auf ihre räumliche Ausrichtung wärhend der Erläuterungen bezogen. "Unten aus dem Aufzug und dann links..." bezieht sich also nicht auf die Bewegungsrichtung aus der Aufzugstür, wie zunächst irrigerweise von uns angenommen, sondern wir mussten uns erinnern, wo im Verhältnis zu ihr vorhin links war. Spannend, hat uns auch nur eine knappe Stunde und etliches an Nerven und eine nochmalige Rückfrage gekostet, bei der unsere Lesart von links sie mindestens genauso irritiert hat - am Autoverleih war man in der Zwischenzeit schon völlig aufgelöst seinerseits auf der Suche nach uns...
Ein freundlicher, älterer Herr stieg dann am vereinbarten Treffpunkt für die Schlüsselübergabe zu unserem Haus zu uns ins Auto und dirigierte uns zu unserem Häuschen im Grünen:
Ein schnuckeliges 46qm-Häuschen aus dem Jahre 1868, im Ortsteil Los Quemados der Gemeinde Fuencaliente ganz im Südwesten der Insel. Als Teil des "tourismo rural" werden dort alte, kleine Bauernhäuser zu Touristenwohnungen umgebaut, was den Ertrag erhöht ohne das Erscheinungsbild der Ortslagen über Gebühr zu belasten. Ein günstiger Supermarkt war auch zwei Kilometer entfernt, so dass sich der Aufenthalt problemlos gestaltete. Los Quemados bedeute übrigens "die Verbrannten" - im letzten Jahrzehnt wurde der trockene Südteil der Insel immer wieder von Bränden heimgesucht - nur mit Mühe konnten teilweise die Ortschaften gerettet werden, während ganze Wälder in Flammen aufgingen. Die heimische Pinie lässt sich davon nicht beunruhigen - unter schwarzer Borke sprießen nach einem halben Jahr neue Triebe.
Zur Lage von La Palma: Als jüngste der Kanareninseln zusammen mit El Hierro (man sieht die Insel am Horizont im Hintergrund unserer Terrasse oben rechts) ist sie entsprechend der tektonischen Plattenbewegungen am weitesten von Afrika entfernt. Zuerst entstanden Lanzarote und Fuerteventura, dann Teneriffa, Gran Canaria und La Gomera. Seit ca. 2 Mio Jahren hat sich der Hot-Spot-Vulkanismus erstaunlicherweise geteilt, wodurch El Hiero und La Palma parallel zueinander aufwuchsen.
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Als junge Insel hat La Palma relativ steile Küsten, was bei heftigen Vulkanausbrüchen Mega-Landslides wahrscheinlich macht und was uns mit unserem Mietwagen sich fast bis ins Fraktale schlängelnden Serpentinenstraßen aussetzte. Hier und da öffneten sich an Steilabfällen tolle Ausblicke (sp.: mirador), wie hier am Mirador del Time über die Barranco de las Angustias und die gesamte Südwestküste nach Süden (man sieht im rechten Bild sehr gut den geschwungen Straßenverlauf zum Boden der Schlucht)
Auch ein Besuch auf dem San Antonio, einem aktiven Vulkan, der zuletzt 1677 ausgebrochen ist, durfte natürlich nicht fehlen. Auf dem linken Bild steht Anette vor dem in Ansätzen bewaldeten Krater, in der Mitte als Gegenstück zum Ausblick oben der Blick vom Kraterrand über die Südwestküste nach Norden. Dies ist übrigens exakt der Bereich, der im Falle eines Mega-Landslides am gefährdetsten wäre... Das Bild rechts zeigt den Blick auf den wenige hundert Meter tiefer gelegenen Teneguia direkt an der Südspitze der Insel, der zuletzt 1971 ausgebrochen ist. Im Gegensatz zu explosivem, sauerem Vulkanismus und schnellfließenden basischen Laven wie auf Hawai hat La Palma wie Island intermediären Vulkanismus, der aus entwas Funkenflug, Ascheauswurf und relativ gutmütigen Lavaströmen, die man sich wie einen riesigen Grill voller klackernder glühender Kohle vorstellen muss, die sich langsam hangabwärts schieben. So entstehen klassische Schichtvulkane von fast beängstigend schöner geometrischer Regelmäßigkeit. Wo Erosion oder andere Ausbrüche das Gestein anschneiden, sieht man die gleichmäßig übereinander aufgeschichteten Lagen aus schwarzem Gestein und helleren Aschelagen. Es geht das Gerücht, dass die Palmeros, wie sich die Inselbewohner selbst nennen, 1971 zu Fuß in Sicherheit bringen und gleichzeitig darüber in Ruhe schwatzen konnten, welches Haus wohl erwischt wird und welches nicht. Intermediär bedeutet aber auch, dass die Magmen wohl durch magmatische Differentiation beim Aufsteigen basische Anteile verlieren und durch Aufschmelzen umgebender Gesteine saure Anteile gewinnen. Immer auf die Gutmütigkeit verlassen kann man sich bei dieser Lotterie auch nicht.
Hier der Blick in Gegenrichtung von der Südspitze, wo die Lavaflüsse zu schroffen Felsen erstarten (links im Hintergrund übrigens eine Saline) und der Blick über die schwarze Ödnis hinauf zum Teneguia:
Einen Eindruck von den verschlafenen und malerischen Städtchen (La Palma hat insgesamt 86000 Einwohner!) vermittelt die "Künstler"-Stadt El Paso im Landesinneren zwischen den beiden größten Städtchen, Los Llanos und Santa Cruz:
Im Inneren der Insel liegt die Caldera de Taburiente, ein fast kreisrunder Krater von mehrere Kilometern Durchmesser, umgeben von vulkanischen Höhenzügen. Obwohl namensgebend, handelt es sich dabei wohl nicht um eine Caldera im geologischen Sinne, sondern um eine Erosionsform - im Westen öffnet sich die Caldera zur Barranco de las Angustias. Hier verbargen sich bei der gewaltsamen Eroberer durch die Spanier wohl auch die letzten Guanchen, evtl. von den Römern aus Afrika vertriebene Berber.
Auch der Hauptstadt Santa Cruz haben wir natürlich einen Besuch abgestattet. Große Bedeutung hatte die Stadt im Siglo de Oro, als alle aus der neuen Welt eintreffenden Schiffe hier die Zollstation passieren mussten.
Am Strand und im Atlantik waren wir natürlich auch. Der schwarze Sand (eigentlich: kantengerundeter vulkanischer Regolith) war sau-heiß und konnte nur mit Badeschuhen betreten werden. Rechts kantengerundeter Lavakiesel mit Lufteinschlüssen: