Nachdem ich den Blog aufgrund einer fiesen Wintergrippe die letzten Wochen vernachlässigen musste, melde ich mich heute mal wieder mit einem kurzen Nachsatz zur Generation Y:
Das Schlüsselerlebnis ist diesmal ein längeres Gespräch mit einem Gleichaltrigen, der im Management einer größeren fränkischen Automobil- und Industriezulieferer arbeitet. Zunächst war ich beruhigt, so viele Parallelen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu sehen (es arbeiten halt überall Menschen) und dann hat mich doch wieder das Grauen gepackt (es arbeiten halt überall fiese Menschen). Ich wage mal einen Vergleich von hierarchischen Organisationsstrukturen mit
flachen, projektbezogenen:
- Parallelen: überall muss mittlerweile lebenslang gelernt und folglich gelehrt werden, überall gibt es Verantwortung für Personal, überall muss die Organisation durch Leistung getragen werden
- Klare Unterschiede gibt es zwischen sach- und projektbezogenen Strukturen und hierarchisch aufgebauten:
- Projekt: Der Projektleiter ist primus inter pares, spürt die Verantwortung für seine Schäfchen, ermutigt zu Eigenengagement und Kritik, schafft die Finanzierung ran, hält dem Team den Rücken frei und hat immer ein offenes Ohr für Sorgen und Nöte (könnte alles, was das Team kann, selbst auch und hat daher den Respekt erworben und disziplinarische Macht nicht nötig). Karriere machen bedeutet, sich aufgrund qualitativ hochwertiger inhaltlicher Arbeit einen Namen gemacht zu haben.
- Hierarchie: Es gibt ein Mittleres Management zwischen sachbezogener Arbeit und den letztlich Entscheidugsbefugten, z.B. im Vorstand. Dort toben Verteilungskämpfe, in denen es an der Sache vorbei, mit volks- und betriebswirtschaftlichem Schaden und ohne Not nur um das eigene Vorwärtskommen geht. Erstaunlicherweise wird dieses System, das sehr an Nomic oder Junta erinnert, durch Geld belohnt: Wer sich durchsetzen kann, bekommt den nächsthöheren und noch besser bezahlten Job. Zum Machterhalt wird nach unten ein divide et impera-System etabliert, um das Wissen auf der Leitungsebene nicht allen Mitarbeitern zu offenbaren und somit nicht rechts überholt werden zu können. Die Arbeit wird dabei so geschickt auf die Mitarbeiter delegiert, dass Zeit für die eigentlichen Schachzüge bleibt: Auf derselben Hierarchieebene wird nämlich die Konfrontation gesucht: Zählt ohnehin meist nur die Anzahl der "Indianer", die man als "Häuptling" unter sich hat, wird darüber hinaus der Aushandlungsprozess in Sachfragen als Anlass genommen, um sich zu profilieren oder „Gegner“ als unqualifiziert dastehen zu lassen. Dazu werden Seilschaften und Bündnissysteme, durchaus auch mit protegierenden Personen auf höheren Leitungsebenen eingegangen, um im Zweifel die eigenen Ziele (ohne Anspruch auf die Optimalität der Lösung) durchfechten zu können. Wer zurückzieht, verliert nur einmal und kann sich nur durch Wechsel in eine andere, ähnliche Position an einem anderen Standort oder einem anderen Unternehmen rehabilitieren. Es geht nicht um Verantwortung, es geht nur um Macht. Karriere machen heißt also, unliebsame Mitspieler so auszuspielen, dass man unter hohem Einsatz von Arbeits- und Lebenszeit in eine Leitungsposition aufsteigt, die etwas entspannteres und gut dotiertes Arbeiten ohne Angst vor sofortiger Revolte ermöglicht.
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Fazit: Mir schaudert. Da bleib
ich lieber Wissenschaftler (für die es im obigen System zumindest "unten", wo die inhaltliche Arbeit getan werden muss, reichlich Platz gibt): dem muss man gerade so viel zahlen, dass er nicht über Geld
nachdenken muss (weder bei einer anstehenden Kaufentscheidung, noch weil es ihm zu
viel wird) und sich in Ruhe seiner Forschung widmen kann.
Tja,
AntwortenLöschendas alte Dilemma aus der römischen (glaub ich)
Staatsphilosophie: Ins "dirty business" einsteigen und dafür MAcht bekommen/erleben oder lieber Philosoph bleiben, die sauberere Arbeit tun, den klareren kontemplativen Blick behalten
aber in entscheidenden Situationen nicht eingreifen können...
Ist ja nichts Neues. Oder eben grade schon, wenn mans das erste mal selbst erlebt!!??
|Zitat|:Karriere machen bedeutet,
sich aufgrund qualitativ hochwertiger inhaltlicher Arbeit einen Namen gemacht zu haben. |/Zitat|
Damit umreißt du aber nur eine wissenschaftliche Karriere??
Berufliche Karriere bedeutet m E. insbesondere genug (wechselnde) Kunden für das eigene Produkt zu haben oder einen Kundenstamm an sich zu binden.
...Und dann kommt wieder einer vom andern Ufer und behauptet dein Produkt ist unmoralisch etc und spucht dir in die Suppe.
Meint ers ernst oder will er nur den Topf den du anvisiert hast...?
...
Welche Verrenkungen nötig sind, wenn man beides gleichzeitig haben will...
oder man seine Seele für das eine verkaufen muss um das andere zu bekommen..
Der fatalste Berufswunsch ist vor diesem Hintergrund wohl ein guter Arzt zu werden...
So lange wir die Tipps aus guten Science Fiction Serien nicht umsetzen und und endlich vom Geld trennen.
Man müsste das System ändern, Politiker werden...
aber dafür musste man sich ja wieder die Hände dreckig machen.
schon mindestens so dreckig machen wie in der freien Wirtschaft.
Systemimmanentes: Homo Homini Lupus?
Idealistisches Festhalten an alten Glaubenssätzen?
oder mediocritas?
oder Diogenes spielen?
Vielleicht von allem a bisserl.
und die Neugierde nicht verlieren.
.. und den Humor!
LG
Danke für das ausführliche Statement - ja, aurea mediocritas ist halt doch eine gute Idee! ;)
LöschenVielleicht noch Nachsatz: ich hätte halt gerne einfach langfristig die Chance auf mehr als nur ein Erfolgskriterium, auf das mich darüber hinaus ein ökonomischer Diskurs festlegt. Das ist mir im Leben sonst zu wenig.