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Samstag, 14. Juli 2012

Drachenauge!

So, wie wenn ich nicht schon Nerd genug wäre - jetzt habe ich mich tatsächlich als Rollenspielautor versucht. Zumindest ein kurzes Szenario meines Leib- und Magen-Rollenspiels DSA ist es geworden...

Sonntag, 8. Juli 2012

„Wenn Religiosität ausstirbt, bleiben nur Geisteswissenschaften, um dem Menschen Orientierung zu geben.“


So oder so ähnlich war die These meiner Frau, die mich nachdenklich gemacht hat. Stirbt Religion wirklich aus? Können Geisteswissenschaften wirklich diese Lücke ausfüllen? Inwieweit das so ist, will ich mit dem heutigen Blog ein bisschen eingehender untersuchen (nicht, dass ich nicht schon ein paar Wochen darüber nachgegrübelt hätte). Ich bin mir sicher, dass sich auch genügend Argumente finden lassen, die dagegen sprechen. Ich bin lediglich neugierig, wie weit sich diese Argumentationslinie treiben lässt, wenn man die Prämisse, dass Religiosität ausstirbt zunächst als gegeben annimmt.
Ein paar Beispiele vorneweg: für mich ist die Militarisierung der Fußballstadien mit Pyrotechnik, Schlägereien und Spielunterbrechungen, die in der letzten Saison zu beobachten war, ein genauso beredtes Symptom dafür wie Komasaufen oder Psychopharmaka. Das Greifen nach dem scheinbar goldenen Ausweg aus dem alltäglichen Nichts und die anschließende Verzweiflung, wenn das die Probleme nicht löst (wie auch?) stehen für mich deutlich für die hilflose Suche nach Sinn in unserer ach so säkularen Gesellschaft. Wohl dem, der wie die Macher der Kampagne „Glücklich leben ohne Gott“ offensichtlich solide in humanistischem Gedankengut gegründet ist. Sollte das pikanterweise eine Form von Glaube sein?

Warum scheidet Naturwissenschaft aus, wenn es um Orientierung geht?

Weil Naturwissenschaft per se die maximale Entfremdung von unserer Alltagserfahrung darstellt und nur deshalb in der Lage ist, Wahrheiten zu entdecken, die uns sonst verborgen blieben. Eine auf dieser Weise entdeckte (konstruierte?) Wahrheit kann freilich immer nur einen Aspekt unseres Menschseins (nämlich den rational-logische) ansprechen.
Mein Lieblingsbeispiel ist immer die Schachnovelle – und ich glaube es gibt genug Programmierer und Softwareentwickler, die auf eine ähnlich manische Weise von der scheinbar mühelosen Beherrschbarkeit und Beherrschung aller Probleme durch ihr (mehr oder minder) konstruktiven Tuns gefesselt sind, dass sie sich des dadurch entstandenen Mangels in ihrem seelischen Gleichgewicht erst viel zu spät bewusst werden. Dies ist ein Standpunkt und keine empirische Studie – dennoch habe ich schon mehrmals diese oder ähnliche Erzähllinien gehört: gut bezahlter Softwareentwickler, 60-Stunden-Woche, mit 40 Sinnkrise, jetzt Gärtner oder im Kloster, scheut den Computer wie der Teufel das Weihwasser. Sicher, μηδὲν ἄγαν, aber gerade dieses Argument nach dem Herstellen eines Gleichgewichts verweist in seiner Bezogenheit auf ein Anderes auf eine Erklärungslücke rein naturwissenschaftlichen Vorgehens.
Apropos Erklärungslücke: Naturwissenschaft erklärt nichts. Die Aussage, dass ein bestimmter Vulkan mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit in einem bestimmten Zeitintervall eine Eruption einer bestimmten Stärke haben wird (selbst wenn es sich exakt vorhersagen ließe) muss völlig unabhängig von jeglichem Handlungskontext gedacht werden, um wertungsfrei erforscht werden zu können. Erst wenn dort Menschen leben, erhält eine solche Aussage Relevanz für Entscheidungen, die zu treffen sind. Die Aussage „Dort leben Menschen, die das noch nicht wissen – wir müssen sie unbedingt über die Risiken aufklären!“, der sie die gottlos Glücklichen sicher ad hoc anschließen würden, ist nicht mehr Teil naturwissenschaftlichen Arbeitens.

Was ist das eigentlich, wenn wir nach Orientierung suchen?

Die Natur einer nicht endgültig beantwortbaren Frage scheint schwer, es gibt jedoch einige Grundzüge, die leicht sichtbar zu machen sind. Zunächst die Ortsmetapher: „Wo gehöre ich hin?“ Die Suche nach dem Platz im Leben repräsentiert die räumliche Strategie, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Wann habe ich ihn gefunden? „Ubi bene, ibi patria!“ Aha, also eigentlich die Suche nach einem Sozialraum. Dazu gesellt sich die performative Metapher „Was soll ich (in dieser Lage) tun?“ Antworten darauf füllen ganze Handbücher – von der Στοά bist hin zur Esotherik. Zugrunde liegt die Suche nach Routinen, die den eigenen Vollzug von Dasein strukturieren und zeitlich rhythmisieren und dadurch Leben einfacher machen. Das bestechende an Adam Smith's Entwurf eines Wertesystems, das nur auf einem spontanen, empathiegeleiteten Urteils beruht, ist allerdings, dass er durch sein Modell eine fast algorithmische Lösung für die soziale Konstruiertheit von Orientierung anbietet. Noch radikaler wäre es, davon auszugehen, dass jeder Kommunikationsakt Dasein verankert und Halt bietet. Ich nenne es gerne die Teppich-Metapher (nachdem ich mich ja zuletzt kritisch gegen „Soziale Netzwerke“ geäußert hatte): Kettfäden sind die familiären Bezüge, in die unser eigenes Sein eingebunden ist, Schussfäden alle Freundschaften, mit denen wir gemeinsam durch die Zeit reisen. Jede Verbindung zu einem anderen Menschen liefert in gewisser Weise Halt, sei es ein gutes Wort, eine gemeinsame Unternehmung oder auch nur ein Lächeln. Jeder Kommunikationsakt festigt ein unsichtbares Band zwischen zwei Menschen oder lockert es – das erstaunliche daran ist aber wohl doch, dass das Gewebe (oder von mir aus auch Netz) für die meisten Individuen immer tragfähig bleibt oder zumindest Optionen zum Festhalten bietet.

Kann Geisteswissenschaft das alles liefern?

Sicher nicht. Ein paar Aspekte bekommt man aber sicher zusammen. Sprachenwissenschaft kann uns helfen, schon einmal Gedachtes wieder nutzbar zu machen oder überhaupt unseren sprachlichen Erkenntnisrahmen auszuloten. Geographie und Geschichtswissenschaften können helfen zu verstehen, nach welch einfachen und doch gerade dadurch unserem gedanklichen Zugriff entzogenen Konstruktionsprinzipien wir uns räumliche und zeitliche Narrative gestalten, die wir für wahr halten und an denen wir uns orientieren. „Dort ist es halt so!“ vs. „Weil das damals war, ist es heute so!“
Wirklich Orientierung geben kann sicher die Philosophie, der ich ein Verstehen-Wollen von Mensch-Sein und sich dieser Suche emotional verbunden fühlen zuschreibe. Wohl dem, der am Ende seiner Überlegungen zu dem Schluss kommt: „Dies habe ich durch Philosophie gelernt, dass ich tue ohne befohlen zu werden, was andere nur aus Furcht vor dem Gesetz tun!“ Nicht umsonst ist christliche Mythologie voller Verweise auf die antike Philosophie und selbst in der Abgrenzung von ihr bestimmt. Fakt ist aber auch: In allen Gesellschaften war eine solche erleuchtende Selbsterkenntnis ein Narrativ der Eliten – von Platon über den Humanismus und Utilitarismus bis hin zum Kommunismus – und ist letztlich gescheitert, weil ein solches Maß an Selbstbeherrschung kaum einige wenige Menschen aufbringen können, um ohne Fehler stets nach solch hehren Maximen handeln zu können. Wie heißt es in der Στοά? Es ist egal, ob wir hundert oder einen Meter unter der Wasseroberfläche ertrinken. Orientierung beinhaltet also auch Handlungsvorlagen, Gesetze, die helfen, wenn ein erkennender Ratschluss gerade nicht greift.

Jenseits von Wissenschaft

Ich behaupte: auch Geisteswissenschaft ist nur ein Teil von Mensch-Sein. Wirklich helfen kann sie dem Menschen nur, wenn er sich gestaltend darauf einlässt: Literatur und Kunst können helfen, den Alltag nicht ganz so furchtbar ernst zu nehmen oder gerade im Gegenteil durch Eleos und Phobos zumindest kurzzeitig unseren gewohnten Trott aufzubrechen, ein gesundes Maß an Verrücktheit in unser Leben zu bringen, das uns hilft, das Gewohnte zu ertragen. Das setzt aber voraus, dass derjenige überhaupt lesen, ins Theater oder die Ausstellung gehen will. Die alltägliche Praxis, das große Spiel, die „Geschichten, die das Leben schreibt“, die scheinbar alltäglichen Gespräche im Teppich des Lebens bieten aber sicher auch für den kleinen Mann einen Bezugspunkt, mithilfe dessen er sich täglich neu hinterfragen und auf den er sein Handeln gründen kann.
Als Fazit bleibt mir nur der Versuch, Shakespeare mit der orientierungsgebenden Macht der Narrative zusammenzuführen: Was bleibt an Erkenntnis, wenn ein jeder von uns erfüllt vom Verlangen nach Orientierung zusammen mit anderen, die ihn halten und inspirieren, zu unbekannten Zielen unterwegs ist? „Die ganze Welt ist Bühne und alle Frauen und Männer bloße Spieler. Sie treten auf und gehen wieder ab. Sein Leben lang spielt einer manche Rollen!“

Dienstag, 3. Juli 2012

Die Hängenden Gärten in Gefahr!

Bevor ich wieder zwischendurch Philosophisches einstreue, muss ich heute doch noch einmal die Ereignisse des letzten Wochenendes revue passieren lassen. Schließlich waren unsere Hängenden Gärten in Gefahr (bzw. wir haben sie leichtsinnig dorthin gebracht und in der Folge auch uns...)

Das Wochenende fing ganz beschaulich mit einem Blick auf den Mond am Freitagabend an, der wie ein dick ausgefülltes umgekehrtes C, also zunehmend am Himmel stand, dann und wann hinter den Schwaden eines in Auflösung begriffenen Gewitterambosses verschwand und dabei eine gespenstische regenbogengleiche Halo auf den Nachthimmel legte, solange die obersten Wolken im Westen noch ganz leicht das Restlicht der längst hinter dem Horizont entschwundenen Sonne auffingen - um diese Jahreszeit ist es ja nie richtig dunkel.

Samstag folgte dann eine tolle Bootstour mit Kanu und Kajaks auf der Itz - so eine muntere Gesellschaft hatten wir schon lange nicht mehr zusammenbekommen! Größere Stromschnellen waren wie geplant ausgeblieben, so dass wir den letzten Teil sehr gemächlich und entspannt zurücklegen konnten (teils als Floßgemeinschaft vertäut, ob der Hitze hier und da auch mit munteren Wasserspielen - wer hat eigentlich angefangen?). Der Hinweis unseres Bootsverleihers auf aufziehende Gewitter hätte uns ob der Hitze stutzig machen können, doch auch bei ersten Wolken konnten wir den Tag bei einem gemeinsamen Kellerbesuch ausklingen lassen.

Auch die sturmartigen Windböen, die eine in Entstehung befindliche Gewitterwolke in strudelnden Fallwinden auflösten, Laub und Staub durch die Gegend wirbelten und dabei Bamberg noch mehr aufheizten, ließen in uns noch keine Vorahnung reifen. Selbst zuhause, als wir den schief hängenden Apfelbaum aus seiner misslichen Lage befreien musste, dachten wir nur, das Gröbste sei überstanden und kamen nicht auf die Idee, dass eine überaus heftige Unwetterfront im Anmarsch war. Wir ließen all unsere Pflanzen und Balkonutensilien wie gewohnt dort zurück - so kamen wir zu einem zweifelhaften nächtlichen Abenteuer. In der Chronologie der Ereignisse (teils rekonstruiert):

1) Tischplatte wird von einer Böe erfasst und kracht ins Geländer, ein Tischbein wird vom Balkon geweht. Wir horchen auf.
2) Ein zweites Krachen und deutlich vernehmbare Windböen. Apfelbaum und Jasmin hängen mit Schlagseite in den angrenzenden Pflanzen
3) Anette und Dominik stürzen in Schlafanzug auf den sturmumtosten Balkon
4) Der Strom fällt aus. Einzige verbleibende Lichtquelle sind die Solarlampe auf dem Balkon (und die näher rückenden Blitze).
5) Anette beginnt, Pflanzen auf der talaufwärts gelegenen Sturmseite in Sicherheit zu bringen, Dominik stützt den Apfelbaum (= Armdrücken mit dem Wind...)
6) Eine neue Böe. Die Zuckerhutfichte samt Solarlampe fällt um. Zwei Unterteller werden krachend am Geländer zerschlagen und regnen auf den Rasen darunter.
7) Ein Stuhl wird vom Wind erfasst, um die Ecke geweht, faltet sich im Flug zu einem gefährlichen Diskus zusammen, bleibt aber glücklicherweise zwischen dem Topf des Apfelbaums und dem Geländer stecken, ohne jemand zu treffen.
8) Regen setzt ein. Waagrecht entlang der breiten Balkonseite bis ins Arbeitszimmer!
9) Wir bringen mithilfe der Solarlampe bei nachlassenden Böen (aber klatschnass) alle übrigen Pflanzen in Sicherheit (= nach drinnen).
10) Unruhige Nacht.
11) Die Schäden werden inventarsiert (zwei Unterteller, drei diesjährige Triebe vom Apfelbaum, etwas Pflanzerde). Alle Früchte hängen erstaunlicherweise immer noch fest an den dazugehörigen Pflanzen.
12) Tischbein und ein Untersetzer haben den Sturz vom Balkon unbeschadet überstanden
13) Aufräumarbeiten, Planungen für Prävention bei Nachfolgeereignissen.

Halten wir aus Sicht der geographischen Risikoforschung fest: schuld an Katastrophen ist wie immer nicht die Natur, sondern die fehlende Prävention. Intervention setzt die Retter teils erheblichen Risiken aus. Die Vulnerabilität war durch die landschaftliche Lage am Dorfrand und die fehlende Sicherung der beweglichen Objekte gegeben, es gab keine Frühwarnung (bzw. keines der Anzeichen wurde zum Nachschlagen bei einem der üblichen Wetterdienste genutzt). Positiv jedoch zum Stichwort Resilienz: ich hätte nie gedacht, was Pflanzen so alles wegstecken können - purzeln munter durch die Gegend und es fehlen weder Apfel noch Tomate. Schlussendlich wird auch die coping capacity nur mit geringen Kosten gefordert sein. Dennoch: nach der Katastrophe ist vor der Katastrophe - deswegen werden wir ab sofort schön einen Blick auf den Wetterbericht werfen und unsere Pflanzen nach dem neuen Evakuierungsplan in Sicherheit bringen, wenn wir länger außer Haus sind oder sich Unwetter ankündigen. Dazu sind uns unsere blättrigen Freunde mittlerweile einfach viel zu sehr ans Herz gewachsen!

Ach ja, Zuwachs gibt es dank Familie Helbig auch: Kürbispflanze ganz klassisch auf dem Komposthaufen! Mal sehen, was zu Halloween aka Erntedank draus geworden ist!